Die Geschichte des gestrandeten Zuges begann im Konzentrationslager (KZ) Bergen-Belsen, in dem mehr als 52.000 Juden ermordet wurden.
Die KZ-Häftlinge stammten aus aller Herren Länder: Die Mehrzahl von ihnen waren Ungarn, aber auch viele Niederländer, Slowaken, Polen und fast 100 Griechen waren unter ihnen. Und sie einte eine Besonderheit: Sie waren Austauschhäftlinge. Dies waren jüdischen Häftlinge, die ausländische Pässe besaßen und von der Schutzstaffel (SS) im Konzentrationslager Bergen-Belsen in einem besonderen Lager als Geiseln benutzt und zunächst von der Vernichtung ausgenommen waren. Sie sollten gegen internierte Deutsche im westlichen Ausland eingetauscht oder gegen Devisen „verkauft“ werden. Diese Austauschhäftlinge hatten im System der nationalsozialistischen Konzentrationslager zunächst noch etwas bessere Lebensbedingungen: Sie wurden als Familien mit ihren Kindern gemeinsam untergebracht, waren von der Arbeitspflicht ausgenommen, durften ihre eigene Kleidung behalten und einige persönliche Gegenstände, sie konnten Post und Pakete empfangen. Diese zunächst etwas günstigeren Lebensbedingungen veränderten sich aber im letzten Kriegsjahr: Durch die Überbelegung im Konzentrationslager Bergen-Belsen aufgrund von Räumungstransporten aus anderen Konzentrationslagern entwickelte sich das Konzentrationslager zu einem Auffang- und Sterbelager.
Vor den heranrückenden britischen und amerikanischen Truppen sollte das Lager im April 1945 evakuiert werden. Insgesamt verließen drei Züge das Konzentrationslager Bergen-Belsen mit dem Ziel Konzentrationslager Theresienstadt. Am 7. April 1945 wurde auf dem Bahnhof in Celle ein Räumungstransport mit 2.500 jüdischen Geiselhäftlingen zusammengestellt. Am 8. April 1945 setzte sich der Zug gegen 14.00 Uhr in Bewegung.
Der Zug passierte drei größere Orte Uelzen, Salzwedel und Stendal. In den völlig überfüllten Waggons ohne ausreichende Verpflegung und medizinische Versorgung starben viele Menschen.
Am 12. April 1945 kam der Zug zwischen Zielitz und Farsleben zum Stehen; eine Weiterfahrt nach Magdeburg war durch Beschuss nicht möglich. Dieser Ort bot durch eine Bewaldung eine letzte natürliche Deckung gegen Fliegerangriffe.
Die Wachmannschaft des Zuges setzte sich in der Nacht vom 12. zum 13. April ab und entzog sich durch Flucht einer Bestrafung.
Die Lok und der erste Waggon, auf dem das Flugabwehrgeschütz installiert war, verschwanden in Richtung Magdeburg.
Gegen Mittag des 13. April wurden auf der benachbarten Straße zwei amerikanische Aufklärungspanzer der 9. US Armee der 743. Infanteriedivision unter Leitung von Major Clarence L. Benjamin gesichtet. Die Amerikaner näherten sich dem Zug und befreiten die Menschen. Sie evakuierten die ausgemergelten, hungrigen und kranken Menschen nach Farsleben und in eine Kaserne nach Hillersleben, um sie zu versorgen.
Unter den 2.500 Häftlingen befanden sich mehr als 500 Kinder und junge Menschen. Daher gibt es noch viele überlebende Zeitzeugen, die ein reges Interesse an einem Austausch haben. Der amerikanische Highschoollehrer Matthew Rozell hat sich seit dem Jahr 2001 sehr intensiv mit der Geschichte dieses Zuges und seiner Insassen beschäftigt; er hat in den USA mehrere Treffen von Überlebenden mit den amerikanischen Befreiern organisiert und auch in Israel hat ein solches Treffen bereits stattgefunden. International ist dieses Thema durch viele Selbstzeugnisse, Bücher, durch Malerei und Forschung gut aufgearbeitet und bekannt, nur hier, in unserer Region und deutschlandweit, ist das Thema nahezu vergessen und der breiten Öffentlichkeit unbekannt.
Ron Chaulet (USA), wohnhaft in den Niederlanden setzt sich seit vielen Jahren für ein Mahnmal an den Gleisen in Farsleben ein.
Der Hobbyhistoriker ersteigerte einen Brief im Internet, diesen hatte Gina Rappaport, eine Überlebende aus dem Zug, 1945 an einen amerikanischen Soldaten geschrieben, doch der erreichte ihn nie. Ron Chaulet erfuhr aus diesem Brief vom Schicksal der über 2.500 meist jüdischen Häftlingen, die in Farsleben vom US – Regiment 743 der 30. Infanteriedivision befreit wurden. Nach 68 Jahren erhielt George C. Gross den Brief, den die junge Frau einst schrieb. Ron Chaulet arrangierte gemeinsam mit Matthew Rozell (USA) ein Treffen der Beiden.
Seither setzt sich Ron Chaulet für die Aufarbeitung der Geschichte ein. Er betreibt die Website http://www.13april1945.com zu den Geschehnissen in Farsleben.
Einigen Wenigen, wie Herbert Riebau (Zielitz), Daniel und Klaus-Peter Keweloh (Hillersleben) ist es zu verdanken, dass dieses Ereignis nicht ganz in Vergessenheit geriet.